Sog. Restwertbörsen der Versicherer rechtswidrig

  • Moin,


    unter der Überschrift „Gutachten in Restwertbörsen sind rechtswidrig“ fand ich in der aktuellen OLDTIMER MARKT auf S. 223 die Leserzuschrift eines Anwalts, der i.S. Restwertbörse für seinen Mandanten ein m.E. wichtiges Urteil vor dem Landgericht Dortmund erstritten hat. Habe dieserhalb Kontakt mit dem Anwalt aufgenommen.


    Der Leserbrief wurde nach Auskunft von RA Fricke von der Redaktion etwas gekürzt, Herr Fricke hat mir aber freundlicherweise den vollständigen Wortlaut seiner Zuschrift zur Verfügung gestellt und nichts dagegen, dass ich den Brief hier ins Forum reinstelle.


    "Verlag Oldtimer Markt
    Lise-Meitner-Straße 2
    55129 Mainz
    07.05.2012


    Leserbrief



    Sehr geehrte Damen und Herren,
    mit großem Interesse habe ich den Artikel in Ihrer Ausgabe Mai 2012 „Restwertbörse“ des Herrn Kollegen Rechtsanwalt M. Eckert gelesen.
    Sehr anschaulich wird hier offen gelegt, wie findig Geschädigten Restwerte aus einer so genannten Restwertbörse durch den gegnerischen Haftpflichtversicherer entgegen gehalten werden, die nach meiner langjährigen Erfahrung teilweise sogar den Wiederbeschaffungswert eines geschädigten Fahrzeuges übersteigen. Dies zeigt auch, dass bei einem Verkehrsunfall allein aufgrund der Wissensüberlegenheit des Haftpflichtversicherers im Rahmen der Waffengleichheit die Inanspruchnahme rechtsanwaltlicher Hilfe erforderlich ist. Die Kosten der rechtsanwaltlichen Beauftragung zahlt bei einem unstreitigen Unfall dann der gegnerische Haftpflichtversicherer, so dass ein Geschädigter nicht scheuen sollte, qualifizierte rechtsanwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.


    Ich erlaube mir aber, noch einen Hinweis auf zwei Punkte zu geben:
    Der Bundesgerichtshof hat zuletzt abgedruckt in der NJW 2010, 2354 m. w. N. entschieden, dass es sich bei der Restwertbörse um einen Sondermarkt handelt, der einem Geschädigten nicht zugänglich ist. Auf Grundlage dieses BGH-Urteils habe ich für einen Mandanten in einem Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Dortmund, AZ: 4 S 193/10 am 29.03.2012 obsiegt.


    Das Landgericht Dortmund hat ausgeführt, dass die seitens der Haftpflichtversicherer geübte Praxis, die Schadengutachten in die Restwertbörse einzustellen, unter Verletzung von Persönlichkeitsrechten geschieht. Der BGH hat entschieden, dass die Einstellung der Schadensbilder bereits das Urheberrecht des KFZ-Sachverständigen verletze, weil dem Haftpflichtversicherer
    des Gegners seines Auftraggebers nicht konkludent ein Nutzungsrecht eingeräumt wird (vgl. BGH a. a. O.). Das Landgericht Dortmund stellt in dem vorgenannten Urteil erfreulicherweise auch fest, dass dies auch für die persönlichen Daten eines Geschädigten gilt. Es liegt sogar eine Rechtsverletzung der Versicherer durch das Einstellen in die Restwertbörse vor, wenn die Mitarbeiter der Versicherer, wie in dem von mir geschilderten Fall geschehen, das Gutachten
    mit „geschwärzter Restwertschätzung“ in die Restwertbörse eingestellt haben und damit einem bundesweit unüberschaubarem Personenkreis zugänglich gemacht haben. Denn in der Regel kann ein Beobachter in der Restwertbörse nämlich feststellen, dass sich neben der Anschrift des Geschädigten auch der Standort des Fahrzeuges verifizieren lässt. Diese personenbezogenen Daten unterliegen einem Schutz.


    Unter den vorgeschilderten Voraussetzungen ist damit die Eingabe des Sachverständigengutachtens in die Restwertbörse rechtswidrig und schon aus diesem Grunde nicht verwertbar. Hierauf sollte ein Geschädigter unbedingt in einem Schadensfall hinweisen, wenn er mit der Restwertbörsenpraxis eines Versicherers konfrontiert wird.


    Was die von Herrn Kollegen Rechtsanwalt M. Eckert geschilderte Regulierungspraxis in der „130 %-Grenze“ angeht, ist, im Übrigen auch in dem vorgenannten Urteil rechtskräftig festgestellt, dass die vorgenannten Ausführungen auch bei Schäden gelten, bei denen der Reparaturaufwand
    über 130 % des Wiederbeschaffungswertes liegt, was gerade bei Youngtimern häufig
    der Fall sein dürfte. Wenn der Geschädigte das Fahrzeug verkehrssicher instand setzt und es sechs Monate weiter nutzt, kann er sich hier ausschließlich zu seinen Gunsten nach dem von dem ihm beauftragten Sachverständigen ermittelten „regionalen“ Restwert orientieren und muss sich nicht überhöhte Restwerte aus einer Restwertbörse entgegen halten lassen.


    Ich bin gerne bereit, das, wie ich finde, sehr interessante Urteil des
    Landgerichtes Dortmund kostenfrei weiter zu leiten und stelle hierzu für Anfragen meine Emailadresse zur Verfügung:
    rechtsanwalt@achimfricke.de.


    Mit freundlichen Grüßen aus Dortmund
    Achim Fricke"


    Auf Wunsch kann ich das besagte Urteil als eMail übersenden bzw. wenn’s gewünscht wird, auch hier reinstellen.



    Viele Grüße


    Helmut

  • Der Entscheidung des LG Dortmund ist im Ergebnis zuzustimmen, aber eben nur im Ergebnis.


    Es ist zutreffend, daß der BGH die Restwertbörsen als nicht jedem zugänglichen Sondermarkt ansieht, weshalb einem Geschädigten Gebote aus einer Restwertbörse jedenfalls dann nicht entgegengehalten werden können, wenn der Sachverständige des Geschädigten den Restwert nach den Vorgaben der BGH-Rechtsprechung ermittelt hat. Und in der Tat liegt ein Urheberrechtsverstoß vor, wenn ohne Zustimmung des Sachverständigen, der die in eine Restwertbörse übertragenen Lichtbilder vom beschädigten Fahrzeug gefertigt hat, eben diese Bilder dort eingestellt werden. In der Praxis verweigern allerdings nur wenige Sachverständige die Zustimmung dazu.


    Soweit es vom LG Dortmund festgestellte Persönlichkeitsrechtsverletzung des Geschädigten durch die Abfrage in einer Restwertbörse betrifft, handelt es sich um eine Einzelmeinung eines Instanzgerichts, auf die sich zu berufen dem Betreten eines sehr dünnen Eises entspricht. Es ist ja damit noch nicht einmal gesagt, daß nicht eine andere Kammer desselben Gerichts insoweit nicht zu einer anderen Auffassung kommt. Mal abgesehen von dem entschiedenen Einzelfall nützt das Urteil des LG Dortmund niemandem wirklich.


    In der Regel werden auch nicht ganze Gutachten "fremder" Sachverständiger in die Restwertbörsen eingestellt werden, sondern lediglich Fotos, Angaben zum Fahrzeug und eine grobe Beschreibung des Schadens. Damit läßt sich weder die Anschrift des Geschädigten noch der Standort des Fahrzeugs verifizieren. Vielmehr läuft es nach Ablauf der Gebotsfrist so ab, daß dem Geschädigten die Kontaktdaten des Meistbietenden mitgeteilt werden und es dann an ihm ist, mit dem Bieter den Kontakt herzustellen. Die im entschieden Fall offenbar erfolgte Einstellung eines kompletten Gutachtens mit mehr oder weniger geschwärzten Angaben ist aus meiner Kenntnis ein echter und absoluter "Ausrutscher", der keinesfalls passieren sollte.


    Was in dem Beitrag unterzugehen droht: das alles kann nur für Haftpflichtschäden gelten!


    Bei einem Kaskoschaden sieht die Sache ganz anders aus. Im Kaskoschaden hat der Versicherungsnehmer insbesondere nicht das Recht, das Fahrzeug durch einen Sachverständigen seiner Wahl besichtigen zu lassen, es sei denn, er will die Kosten des SV selbst tragen, ohne daß der Versicherer an die Feststellung des vom Versicherungsnehmer beauftragten Sachverständigen gebunden wäre. Die Entscheidung, ob und ggf. welcher Sachverständige beauftragt wird, obliegt im Kaskoschaden allein dem Versicherer. Die Restwertermittlung durch Einstellung in Restwertbörsen ist dabei ohne wenn und aber zulässig.


    Ist der Versicherungsnehmer mit den Feststellungen des vom Versicherer bauftragten Sachverständigen nicht einverstanden, muß er das bedingungsgemäß vorgesehene Sachverständigenverfahren durchführen lassen, dessen Ergebnis dann selbst für den Fall einer Klage gegen den Versicherer verbindlich ist.


    Grüße


    Peter